Hüftgelenksdysplasie
HD – Eine unendliche Geschichte?

Die Hüftgelenksdysplasie (= HD) des Hundes bietet immer noch und immer wieder ein weites Diskussionsfeld, in dem mehr oder weniger wissenschaftlich jongliert wird.
Als Tatsache wird beschrieben, dass die wichtigste Ursache für die HD in den Erbanlagen des Hundes liege (von 20%, 50% bis zu 100 % gibt es verschiedene Theorien). Es werden Statistiken vorgelegt, die diese Annahme beweisen sollen. Dabei wird nur am Rande mitgeteilt, dass die Ursachen der HD „noch nicht abschließend aufgedeckt“ sind. Welche Gene eine Rolle spielen, ist bis heute nicht abschließend geklärt.

Die jährliche Teilnahme an der „Kynologischen Diskussionstagung Fellbach“ hat keine grundlegenden und bewiesenen Erkenntnisse gebracht. Dort trafen sich die Zuchtbeauftragten der einzelnen Vereine, Züchter, Interessierte und Wissenschaftler (Tierärzte, Genetiker, etc.) zum alljährlichen Erfahrungsaustausch. Es wurden häufig alte Meinungen weiter vertieft, veraltete Statistiken wiederholt gezeigt und die Züchter weiter auf die Genetik eingeschossen. Es gab und gibt viele gute Ansätze und Fragen, die leider selten weiterverfolgt wurden/werden. Diese Diskussionstagung in Fellbach findet schon seit einigen Jahren nicht mehr statt.

Die weiter jährlich durchgeführte “Kynologische Arbeitstagung Leonberg“ geht über 2 Tage und bietet seinen Teilnehmern einen breit gefächerten Themenkomplex rund um die Zucht und Gesundheit von Rassehunden an. Ausgesuchte Fachreferenten tragen neueste Erkenntnisse vor und stellen sich den Fragen der teilnehmenden Züchter und Zuchtbeauftragten.

In der Schweiz gibt es Untersuchungen hinsichtlich der Lockerheit der Hüftgelenke. Die Schweizer bemängeln, dass bei der gängigen Röntgentechnik diese Lockerheit nicht in die Auswertung mit einfließt. Sie vermuten stark, dass sich die Lockerheit der Gelenke/ Bänderschwäche stärker vererbt als der HD-Grad. Somit erklären sie, dass die seit mehr als 30 Jahren durchgeführte Massenbekämpfung der HD nur wenig bis überhaupt nichts gebessert hat. Auch sind die Statistiken fragwürdig, wenn nur ein geringer Anteil der nicht zur Zucht eingesetzten Hunde geröntgt und ausgewertet wird. Zuchtwertschätzungen können nur wirksam sein, wenn genügend Auswertungen vorliegen und nicht wie z.B. bei den Berner Sennenhunden weniger als 25%.

Vor einigen Jahren auf einem Züchterseminar hielt eine bekannte Referentin einen Vortrag über die Genetik. Die Erbgesetze wurden in verständlicher Weise übermittelt, bis es zur Frage nach der Erblichkeit der HD kam. Ihre Antwort: „Ein polygener Erbgang mit Beteiligung von 20 Genen und mehr.“ Die Frage, welche Gene das denn nun seien und ob diese schon direkt nachgewiesen wären, wurde mit allem Nachdruck „Das ist einfach so!“ sehr unwissenschaftlich beantwortet.

Ein Jahr danach wurde in Fellbach von einem erfahrenen HD-Röntgenbild-Auswerter folgendes vorgetragen: Es gäbe Vermutungen, dass es nun doch nicht 20 und mehr Gene wären, sondern evtl. nur 3-4 Gene. Jeder kann sich bei diesen Aussagen selbst ein Bild machen. Ein Laie wäre mit solchen Bemerkungen sicherlich kläglich gescheitert.

In einem anderen Jahr wurden wieder Statistiken aus den 70er und 80er Jahren vorgelegt. Einmal wurden bestimmte Punkte wie die Anzahl der geröntgten Hunde berücksichtigt, ein anderes Mal nicht. Fakt ist: verschiedene Auswerter beurteilen Röntgenbilder unterschiedlich. Der eine attestiert bei demselben Bild eine A-Hüfte, der andere eine B-Hüfte. Mit diesem Hintergrundwissen kommt es einem noch verwunderlicher vor, dass eine A1 + A1 Verpaarung bessere Ergebnisse geben soll als eine A1 + A2 Verpaarung (HD-A1 und HD-A2 sind beides HD-freie Bewertungen; die meisten Länder nehmen keine derartige Unterteilung innerhalb der HD-Grade vor). Tatsächlich liegt bei vielen Rassen die Röntgenquote bei ca. 20% und darunter, gleichzeitig wurden mit dem Rückgang der HD-D und HD-E Resultate weniger Hunde geröntgt bzw. ausgewertet. Das zum Thema Statistik.

Noch etwas zur Vererbung:
Wenn tatsächlich die Vererbung die wichtigste Ursache für die HD sein sollte, dann ist die sogenannte „drittbeste Methode“ diejenige, die häufig „die HD – verursachenden Defektgene nicht reduziert, sondern sogar erhöht“. Diese Methode betrifft die bei vielen Zuchtvereinen gängige Methode HD-A mit HD-C verpaaren zu dürfen. Umgekehrt würde dies heißen, dass man möglicherweise bei einer geringen Population auf eine Selektion hinsichtlich der HD verzichten könnte/sollte. Herr Professor Walter Schlegel, Wiener Genetiker meinte schon vor längerer Zeit, dass es nur wenige Hunderassen gäbe, bei denen man ausschließlich mit HD-freien Hunden züchten könne, ohne die genetische Basis zu sehr einzuengen.

Der Club Slovensky Cuvac erlaubt die Zucht mit HD-A und HD-B Hunden.
Die HD-Ergebnisse der Nachzuchten sind größtenteils HD-A.

Lange Zeit galt, dass der Gelenkspalt möglichst eng und kongruent sein solle. “Neuere Forschungen“ erheben den Verdacht, dass ein zu enger Gelenkspalt evtl. mehr Schmerzen macht als ein etwas weiterer. Auch der Norberg-Winkel, der einen bestimmten Grad haben muss, um ein HD-Frei zu ergeben, ist in die Kritik geraten. Dies heißt im Klartext, dass ein Hund eine wunderbare Hüftpfanne mit einem ebenso passenden wunderbaren Hüftkopf haben kann, aufgrund eines Norbergwinkels (der Winkel der Verbindungslinie der Zentren beider Oberschenkelköpfe und dem vorderen Pfannendachrand. Beim gesunden Hund soll er 105° und mehr betragen) von weniger als 105° in der Regel keine A-Hüfte mehr hat. Anders herum, wenn ein Hund z.B. einen relativ guten Norbergwinkel hat und nicht ganz so perfekte Gelenkköpfe und Gelenkpfannen, wird er zum Teil besser beurteilt als ein Hund mit kleinerem Winkel, aber besseren Hüftgelenken.

In der Diskussion steht nun, ob diese genaue Gradeinteilung überhaupt gerechtfertigt ist oder ob aufgrund dieser Einteilung viele gesunde und typvolle Hunde nicht zur Zucht zugelassen wurden. In der nun schon viele Jahrzehnte andauernden Selektionsgeschichte der HD gab und gibt es immer wieder “neue Erkenntnisse“, die zu einer „Neubeurteilung“ von HD-Graden führte.

Die Beweisführung stützt sich von Beginn an fast ausschließlich auf die Populationsgenetik. Diese steht und fällt mit der Anzahl der ausgewerteten Hunde. Bei manchen Rassen sind in diesen Jahren große Erfolge mit einer gleichzeitig hohen Röntgenquote erreicht worden. Dabei hat sich das Erscheinungsbild oft zum leichteren Typ verändert, was die Auswirkungen eines zu schnellen Wachstums minimiert. Schaut man sich diese Rassen genauer an, fällt auf, dass sich parallel dazu andere Bedingungen verändert haben wie z. Bsp. die Aufzuchtbedingungen hinsichtlich der Ernährung als auch der Bodenverhältnisse. Genau diese Aspekte werden jedoch von den Genetikern nicht weiter berücksichtigt. Bodenstrukturen und Ernährungsformen bedenken die meisten nicht und können darüber auch keine Auskunft hinsichtlich der Entwicklung einer Hüftgelenksdysplasie geben.

Genetik und Umwelt sind bei der HD nicht trennbar. Würden sich Forscher mehr mit den einzelnen Aufzuchtbedingungen und der weiteren Haltung beschäftigen und die dabei erworbenen Daten und Erkenntnisse in Bezug zueinander setzen, bekämen sie wichtige Zusatzinformationen.

Es wird gesagt, nur wenn man diese Bedingungen nicht optimal macht, könne man die genetisch „schlechten“ Tiere ausmachen. Das wäre in etwa wie wenn man behaupten würde, ein Kleinkind könne ruhig 10 mal am Tag die Treppe hinauf und herunter purzeln und sich die ganze Zeit auf spiegelglatten, harten Böden aufhalten, ständig dabei ausrutschen und seine Bänder überdehnen, ohne genetische Veranlagung würde dieses Kind trotzdem einen gesunden Bewegungsapparat entwickeln!

Zudem werden die Begriffe „erworben“, „angeboren“ und „genetisch“ selten genau unterschieden. Angeboren wird häufig mit genetisch gleichgesetzt. Das kann, muss aber nicht sein. Ein feiner und dennoch großer Unterschied! Schon beim Menschen gibt es Erkenntnisse, dass die Ernährung der Mutter während der Schwangerschaft maßgeblich die Gesundheit ihres Kindes beeinflusst. Stoffwechselerkrankungen haben häufig ihre Ursache in einer Fehlernährung der schwangeren Mutter. Dies kann man sicher im weiteren Sinne auf unsere trächtige Hündin übertragen. Bei einer solchen Erkrankung, die meist erst in späteren Jahren des Kindes manifest werden kann, spricht man von „angeboren“. Ein interessanter Gedanke auch hinsichtlich der HD unserer Hunde!

Einige Bemerkungen zu Bodenbeschaffenheit, Ernährung und Genetik

Bodenbeschaffenheit:
Ein sehr wichtiger Faktor bei der Entwicklung von HD. Befinden sich die Welpen auf einem rutschfesten, nicht harten Boden und können ihre Muskulatur einsetzen, entsteht genau derjenige Druck auf Knochen und Gelenke, der eine gute Durchblutung und somit eine physiologische Versorgung mit all seinen Auf – und Abbauvorgängen ermöglicht.

• Glatter, harter Boden und lebhafter Welpe: schlechter für Ergebnis
• Glatter, harter Boden und ruhiger Welpe: besser für Ergebnis
• Rutschfester, weicher Boden: Welpe kann seine Anlagen gut entwickeln.

Ein Welpe, der immer darauf achten muss nicht zu stark auszurutschen, wird gezwungenermaßen nicht voll „durchstarten“ und somit nicht für die optimale Belastung und Entwicklung seines Bewegungsapparates sorgen. Eine sicher falsche Art der „Schonung“.

Ernährung:
Ein weites Feld, das viele Glaubensrichtungen beinhaltet. Eine natürliche Fütterung mit wenig Getreide (je nach Rasse), frische Zubereitung mit den darin enthaltenen aktiven Vitaminen und Enzymen unterstützten eine gesunde Entwicklung in hohem Masse und sorgt für langsamere Wachstumsvorgänge. Somit hat unter anderem der Bewegungsapparat mehr Zeit für moderate Umbauprozesse.

Der junge Körper holt sich alles, was er benötigt und kann das Angebot bestens verwerten. Natürliches Kalzium (nicht anorganisches Kalzium) beeinflussen die Umbauprozesse im Knochenwachstum positiv. Verschiedene Verdauungsvorgänge von Fleisch und Getreide können berücksichtigt werden, indem man beides getrennt füttert. Es gibt natürlich Hunde, die mit einer Mischung klar kommen, jedoch warum sollte man Unverträglichkeiten oder schlechtere Verdauungsvorgänge riskieren…

Genetik
Inwieweit eine genetische Disposition eine Rolle spielt, gilt es weiter zu erforschen. Es bleibt zu hoffen, dass dazu in Zukunft wirklich aussagefähige Tests entwickelt werden. Doch eventuell ergeben sich mit zunehmender Forschung ganz „neue“ Erkenntnisse.
Viel Bewegung, rassegerechte Auslastung + Beschäftigung und liebevolle Zuwendung halten unsere Hunde zusätzlich gesund. Mitunter kann dies bei einigen Fertigfutterhunden für eine schnellere Passage des nicht so idealen Futters sorgen und damit ein Zurechtkommen mit dieser Art von Ernährung. „Gute Ernährung ist nicht alles, aber alles ist nichts ohne gute Ernährung“.

Einer der wichtigsten Parameter bei der Auswertung ist der Norbergwinkel. Dieser zeigt auf, wie tief der Hüftkopf in der Hüftpfanne sitzt. Je tiefer desto besser. Sind nun die Bänder nicht fest genug, sitzt die Hüfte loser in der Pfanne (subluxiert) oder der Hüftkopf befindet sich sogar weitgehend außerhalb der Pfanne (luxiert). Eine gute Muskulatur kann diese Schwäche evtl. ausgleichen, beim Röntgen mit Narkose werden die Muskeln jedoch nahezu völlig relaxiert (entspannt). Sind nun die Bänder, die den Hüftkopf in die Pfanne ziehen bzw. dort halten, locker und nicht fest, so wird bei der Lagerung der Hüftkopf aus der Pfanne subluxiert bzw. luxiert.

Optimal: Die Welpen/Junghunde werden beim Halter weiter mit gut zusammengestelltem Frischfutter großgezogen und leben in Haus und Garten. Die Besitzer haben ihre glatten Böden mindestens während des 1. Lebensjahres – am besten bis zum HD-Röntgen mit ca. 15 Monaten – mit rutschfesten Matten/Teppichen abgedeckt. So bekommen die jungen Hunde feste, starke Bänder und eine gute Muskulatur.

Häufiges Rutschen und Ausrutschen fördern Bänderschwächen und eine weniger gut durchtrainierte Muskulatur.

Unsere Welpen haben freien Zugang zu Garten und Ausläufen. Das Welpenzimmer ist mit hochrutschfesten Relieffließen ausgestattet, Flure und Laufstrecken sind mit rutschfesten Gummimatten abgedeckt.

Mein Fazit: Welpen, die die ersten 8-10 Wochen beim Züchter auf rutschfesten Böden + Naturböden mit einer natürlichen Ernährung aufwachsen, haben einen guten Grundstock für einen gesunden Knochenbau. Und nicht nur dafür, auch für die Entwicklung gesunder Organe und eines gut funktionierenden Stoffwechsels.

Wenn nun also Welpen auf rutschigen, harten Fließen, glatten Linolböden, Parkett etc. aufwachsen und darauf mehr Zeit verbringen als auf Naturböden und rutschfesten Untergründen sollten die zukünftigen Halter evtl. auf das Temperament dieser Welpen achten und auf jeden Fall dafür Sorge tragen, dass ihr Hundekind bei ihnen überwiegend „rutschfeste“ Verhältnisse vorfindet.

Nach den vorausgegangenen Abhandlungen gilt: Hunde mit HD-A und HD-B sind hüftgesunde Hunde. Diese Beurteilung wird von wissenschaftlicher Seite aus mit getragen (siehe Frau Dr. Eichelberg).

Um nun allen möglichen Klägern vorzubeugen, wird hiermit ausdrücklich erklärt, dass Einschätzungen und Schlussfolgerungen persönliche Erfahrungen und Meinungen sind. Meinungen und Erfahrungen sind dazu da, ausgetauscht bzw. revidiert werden zu können.
Sollten neue Erkenntnisse und Ergebnisse durch Wissenschaft und Forschung vorliegen, werden diese in einer eventuell notwendigen Neubeurteilung der Thematik Berücksichtigung finden.